«Werwolf Sutra» – der ukrainische Schriftsteller Juri Andruchowytsch schreibt auch Gedichte
Ilma Rakusa ? Im Westen ist er durch seine luziden Essays und lebensprallen Romane bekannt geworden, doch in seiner ukrainischen Heimat gilt Juri Andruchowytsch in erster Linie als Lyriker: Verfasser von f?nf Gedichtb?nden und Mitbegr?nder der literarischen Performance-Gruppe Bu-Ba-Bu, die dem poetischen Wort wirkungsstark, nicht selten mit musikalischer Begleitung, zum Auftritt verhilft.
Einen Eindruck von Andruchowytschs songhaften Versen vermittelt der deutsche Auswahlband «Werwolf Sutra», der Gedichte aus den B?nden «Exotische V?gel und Pflanzen» (1985 bis 1990) und «Lieder f?r den toten Hahn» (1999 bis 2004) vereinigt. In gereimten Strophen oder in rhythmisiertem Parlando-Ton erz?hlen sie von Liebe und Reisen, vom Studentenleben und von seinen Exzessen, vom Alltag und von der Stadt Lemberg, von ferner Geschichte und Momenten schmerzlicher Gegenwart – sinnlich, sentimental, sarkastisch, melancholisch.
Juri Andruchowytsch ist ein Virtuose aller Stillagen, gekonnt macht er Anleihen bei historisierenden Tableaus und Balladen, beim Rocksound und bei der schnoddrigen Bekenntnislitanei. Pfiffig setzt er manche Gedichttitel in Klammern oder w?hlt – wie in den «Liedern f?r den toten Hahn» – englische ?berschriften, um kein Spiel mit Referenzen und Zitaten verlegen. Doch der (postmoderne) Ludismus ger?t ihm nicht zur Masche. Durch alles hindurch behauptet sich ein lyrisches Ich mit unverwechselbarer Stimme, die besonders dort ber?hrt, wo sie sich einem anderen zuwendet.
In «More Than A Cult» liefert Andruchowytsch ein bestechend genaues, hoch evokatives Portr?t seines polnischen Schriftstellerkollegen Andrzej Stasiuk, das mit den Zeilen endet: «Wir werden lange leben und schreiben, wor?ber wir k?nnen, / wobei Zweites nicht so wichtig wie das Erste ist. / Das heisst, nicht nur , sondern die Gelegenheit haben, / m?glichst lange zu Fuss zu gehen, trampend klappernde Autos anzuhalten, / ?ber Brot und Wein in halbverst?ndlichen Sprachen zu verhandeln, / in verd?chtigen H?hlen zu ?bernachten, auf Gipfel zu klettern, / sich in Dieselz?gen und Bahnhofsst?llen mit allen Mitb?rger-Zigeunern zu tummeln, / damit danach in den Tr?umen aufdringlich / irgendeine Ukraine, oder Rum?nien, oder irgendein anderes Polen erscheint, / vernachl?ssigtes und endlos dreckiges Territorium, / ohne das man sich aber nicht vorstellen k?nnte, jemandem in der Welt von Nutzen zu sein.» Der Essayist l?sst gr?ssen – durch das Medium der Poesie.
Джерело: http://www.nzz.ch/nachrichten/kultur/buchrezensionen/songhaft_virtuos_1.4130159.html